KREFELD IST TOLERANT

Alt-Krefeld feierte im Jahr 2023 die Erlangung der Stadtrechte vor 650 Jahren durch Urkunde des römisch-deutschen Kaiser Karl IV. an den Grafen Friedrich III. von Moers. Diese alte Stadt Krefeld erlosch mit der Neugründung der Stadt und des Stadtkreises Krefeld-Uerdingen a. Rh. im Jahre 1929. Im Jahr 1940 wurde dieser neue Stadtkreis von den Nationalsozialisten auf Drängen Krefelder Kommunalpolitiker, gegen geltendes Recht, aufgelöst und in "Stadt Krefeld" umbenannt. Die Stadt Krefeld stellt sich heute gerne und sicher auch zu Recht, als tolerant und bunt dar. Dazu gehörte jedoch auch der offene Umgang mit der dunklen Geschichte um die unrechtliche Inkorporation der Rheinstadt Uerdingen im Jahr 1940. Auch wird heute von der Stadt Krefeld nicht anerkannt, dass es sich bei der Stadt und dem Stadtkreis Krefeld-Uerdingen am Rhein um ein modernes und einzigartiges, kommunales Konstrukt handelte, was seiner Zeit lange voraus war. Es galt als Ergebnis eines langen, demokratischen Einigungsprozesses in der Weimarer Republik, welche bekanntlich neuen Ideen und Wegen durchaus aufgeschlossen gegenüber stand.

Uerdinger Bemühungen, das geschehene Unrecht der brutalen Auflösung der selbständigen Körperschaft Uerdingen, in der Nachkriegszeit zu korrigieren, gelangen nur teilweise. Zwar war die Stadt Krefeld bereit, Uerdingen einen einzigartigen Sonderstatus im Deutschen Kommunalrecht als Stadtbezirk, mit den Rechten einer Körperschaft einzuräumen, dies aber ohne dabei, das in der NS-Zeit geschehene, kommunale Unrecht anzuerkennen. Der Stadtbezirk Uerdingen wurde eine teilselbständige Gebietskörperschaft, mit Bürgermeister, eigener Verwaltung, einem eigenen Stadtsäckel und eigenem Ortsstatut.

Der in Krefeld "verhasste" Gemeindename "Krefeld-Uerdingen am Rhein" wurde nicht mehr eingeführt, obwohl die unrechtliche Umbenennung sogar in einem Rechtsgutachten der Stadt Krefeld selbst, im Januar 1946 festgestellt wurde. Was wenige wissen:  Die im Jahr 1950 wiedereröffnete Rheinbrücke heißt heute deshalb offiziell "Krefeld-Uerdinger Brücke", weil sie ursprünglich 1936 eingeweiht wurde, als die Stadt Krefeld-Uerdingen a. Rh. hieß. Manche Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt erinnern sich noch an die großen Veranstaltungen der Stadt Krefeld zum ihrem 600 jährigen Bestehen, lassen dabei aber unberücksichtigt, dass im Jahr 1973 Uerdingen ein selbständiger Bezirk als Körperschaft war, mit eigenem Stadtsäckel und Autonomie in weiten Teilen.

Als 1975 die kommunale Neugliederung in Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf-Gesetz) umgesetzt wurde, ging die bis dahin noch bestehende Körperschaft Uerdingen restlos in die Stadt Krefeld unter. Im § 9 des Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Mönchengladbach/ Düsseldorf/ Wuppertal   vom 10. September 1974, fand dies allerdings keine Erwähnung, obschon es eigentlich erforderlich gewesen wäre. Damit ist Uerdingen heute ein zugehöriger Stadtteil Krefelds, ohne formaljuristisch und demokratisch legitimiert je von der Stadt Krefeld eingemeindet worden zu sein. Dies ist sicher eine seltene Besonderheit im deutschen Kommunalrecht. Eine weitere Besonderheit: Auch die Stadt Krefeld (vorm. Krefeld-Uerdingen a. Rh) begründet sich als Gebietskörperschaft auf 1940 geschaffenes Unrecht, denn ein erforderliches preußisches Gesetz für die, durch widerrechtliche Verschmelzung entstandene, einheitliche Gebietskörperschaft, gibt es nicht.

„Uerdingen würde ohne Krefeld heute besser dastehen..." so der ehemalige Bezirksvorsteher, Ratsherr und langjährige Vorsitzende des Uerdinger Heimatbundes, Elmar Jakubowski, in einem Interview, anlässlich des 90. Gründungstages der Stadt und des Stadtkreises Krefeld-Uerdingen a. Rh., am 11. August 2019, in der RP Krefeld. Uerdingen wurde zweifelsohne durch die unrechtliche Inkorporation und Aberkennung der (Teil-) Selbständigkeit in seiner Entwicklung nachhaltig beeinträchtigt. Die alte Industriestadt am Rhein steht im Vergleich zu anderen "selbständigen" Städten am Niederrhein in nichts nach, vergleiche man sie nur einmal mit der nördlich von Krefeld gelegenen Kleinstadt Tönisvorst. Sie hat heute entsprechend der Gemeindeordnung bei weitem nicht mehr die Handlungsfreiräume und finanziellen Möglichkeiten über ihre Geschicke selbst zu entscheiden wie etwa andere, kreiszugehörige Gemeinden oder Städte. Übrigens: Auch die Rheinstädter dürfen bei ihrem nächsten Jubiläum, im Jahre 2030 nicht den Slogan " 775 Jahre Stadt Uerdingen " verwenden...aus historischen Gründen.

                      „Die Wahrheit ist                                                        eine Tochter der Zeit.“                                               Aulus Gellius
 

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